Jeder Investor möchte seine ETF-Anteile zu einem möglichst günstigen Kurs kaufen und dabei ein Schnäppchen machen. Aber aus der Finanzwissenschaft wissen wir, dass Market Timing nur in Ausnahmefällen funktioniert.
Dies haben beispielsweise Gerd Kommer und Alexander Weis im Blog-Artikel „Timing des Markteinstiegs – funktioniert es?“ über einen Backtest nachgewiesen. Wer auf einen günstigen Einstiegskurs wartet, verliert in den meisten Fällen langfristig Rendite.
Deshalb ist es in der Phase des Vermögensaufbaus sinnvoll, über monatliche Sparraten langfristig ein diversifiziertes Portfolio aufzubauen. Und bei einmaligen Investitionen gilt dies analog. Zu langes Warten wird mit geringeren Renditen bestraft.
So kann es bei entsprechendem Ordervolumen und/ oder bei Nutzung eines günstigen Brokers durchaus Sinn machen, regelmäßige Sparpläne selbst zu platzieren und dabei zu sparen.
Was kann ich als Anleger beeinflussen?
Da Aktienindexe (MSCI World, DAX, S&P500, usw.) über einen großen Zeitraum betrachtet steigen, macht es für einen langfristigen Investor keinen Sinn auf den „idealen“ Einstiegszeitpunkt zu warten.
Es gibt bei ETFs jedoch im Tagesverlauf unterschiedlich große Spannen, sog. Spreads, zwischen Geld- und Briefkurse. Kurz zur Erklärung: einen Kaufkurs nennt man an der Börse Briefkurs und ein Verkaufskurs wird als Geldkurs bezeichnet.
Wenn es also an der Börse während eines Tages unterschiedlich große Preisdifferenzen zwischen Kauf- und Verkaufskursen gibt, dann macht es ja Sinn, ETFs nur dann zu handeln, wenn die Kursdifferenz, also der Spread, am geringsten ist.
Ob der dann realisierte Kurs im Tagesverlauf am günstigsten ist, wird damit jedoch nicht sichergestellt. Aber das wollen und können wir auch nicht leisten, denn damit würde ja wiederum Market Timing betrieben werden, was wissenschaftlich betrachtet nicht funktioniert.
Warum sind die Spreads unterschiedlich hoch?
Grundsätzlich gilt, dass das Handeln außerhalb der Börsenzeiten teuerer ist, als während der regulären Handelszeiten. Dies gilt für die Heimatbörse des Investors und für die jene des Finanzinstruments.
In Deutschland findet der XETRA Handel an der Börse Frankfurt von Montag bis Freitag von 09:00 Uhr bis 17:30 Uhr statt.
Während dieser Zeit sind auch die Kurse der elektronischen Handelsplätze wie beispielsweise gettex (Scalable Broker) oder L&S Exchange (Trade Republic) an den XETRA Kurs als Referenz gebunden (dies ist jedoch keine Garantie!)
Nun möchten wir einen ETF auf den S&P500, dem amerikanischen Aktienmarkt, kaufen. Die Handelszeiten an der Wall Street (NYSE) sind Montag bis Freitag von 15:30 Uhr bis 22:00 Uhr (Ausnahmen durch Umstellung Sommer-/ Winterzeit) deutscher Zeit.
Würden wir also vor 15:30 Uhr deutscher Zeit handeln, ist zwar die deutsche Börse (Heimatbörse des Investors) geöffnet, aber die amerikanische Börse (Heimatbörse des Finanzinstruments) noch geschlossen. In diesem Fall wird die die Unsicherheit über die zu erwartenden Kurse in den USA in Form von höheren Spreads an der Börse vergütet.
Die Vergütung, welche die sogenannten Market Maker erhalten, ist für jene Unsicherheit noch höher, wenn beide Referenz-Börsen geschlossen sind. So ist der Handel bei gettex beispielsweise bereits ab 08:00 Uhr möglich. Einen S&P500 ETF über gettex also morgens um 08:00 Uhr zu kaufen ist daher keine gute Idee.
Es ist also anzunehmen, dass ein Schnäppchen dann möglich ist, wenn sowohl in Deutschland als auch in den USA die Börsen gleichzeitig geöffnet sind.
Wie ermittle ich den günstigsten Kaufzeitpunkt?
Nichts leichter als das, denn
seit Februar 2019 bietet die Deutsche Börse mit dem intraday Xetra Liquiditätsmaß (iXLM) einen neuen Service: Das iXLM gibt Auskunft darüber, wie sich die Handelskosten eines ETF im Tagesverlauf entwickelt haben. Entsprechend können Anleger das iXLM als Indikation für die Bestimmung günstiger Handelszeitpunkte nutzen und dadurch ihre impliziten Handelskosten senken. Zur Berechnung wird der Handelstag von 9:00 bis 17:30 Uhr in halbstündige Intervalle unterteilt und rückwirkend für jede halbe Stunde das iXLM ermittelt.
https://www.xetra.com/xetra-de/instrumente/etfs-etps/statistics/xetra-liquiditaetsmass-etfs
Das iXLM wird monatlich veröffentlich und kann als Excel-Datei hier heruntergeladen werden.
Wer es etwas bequemer möchte, erstellt einen kostenlosen Account bei extraETF. Das iXLM ist über die Analyse des jeweiligen ETFs graphisch dargestellt.

(Stand: 03.06.2021)
Wer hätte gedacht, dass der MSCI World ETF von iShares zwischen 12:00 Uhr und 12:30 Uhr am günstigen handelbar ist? Da der MSCI World zu mehr als 65% (Stand: 03.06.2021) aus US-Titeln besteht, hätte man den Schnäppchen-Preis eher ab 15:30 Uhr erwartet. Denn ab diesem Zeitpunkt haben die Börsen in den Vereinigten Staaten ebenfalls geöffnet.
Da jedoch die Liquidität für diesen ETF zur Mittagszeit am höchsten ist, resultieren für den Investor zu diesem Zeitpunkt die geringsten implizierten Kosten.
Fazit
Es gibt nicht viel, was wir als langfristige Investoren an der Börse beeinflussen können, um unsere Rendite nachhaltig zu erhöhen.
So lassen sich bei folgenden Kriterien aber durchaus Schnäppchen erzielen:
- Auswahl des geeigneten Finanzinstrumentes: ETFs sind die günstige Verpackung für ein breit diversifiziertes Aktien- und Anleiheportfolio.
- Auswahl des Brokers: ein Kostenvergleich kann jährlich mehrere Hundert Euro sparen.
- Handel zum richtigen Zeitpunkt innerhalb eines Tages.
Wer also ein Schnäppchen an der Börse machen will, sollte genau prüfen, wann die Orders platziert werden.
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