Bevor das eigene optimale Portfolio erstellt werden kann, ist es wichtig, einerseits Risiken von Finanzanlagen beurteilen zu können und andererseits die persönliche Risikoeinstellung zu kennen.
Das Risiko einer Finanzanlage wird häufig durch die Volatilität dargestellt. Diese Kennzahl ist jedoch nicht immer aussagefähig und kann bei alleiniger Betrachtung zu falschen Entscheidungen führen.
Was die Volatilität aussagt und was nicht
Die Volatilität entspricht mathematisch der Standardabweichung und stellt ein Maß für das Risiko einer Finanzanlage dar. Dabei misst sie die Schwankungen eines Wertes oder Kurses im Zeitverlauf um den eigenen Mittelwert.
Bei riskanten Finanzanlagen, wie Aktien oder ETFs, bieten Kursschwankungen aber auch Chancen, nämlich wenn der Kurs sich positiv entwickelt und der Investor dadurch Gewinne erzielen kann. Wenn es um die Minimierung von Risiken geht, ist es jedoch viel wichtiger, lediglich negative Schwankungen, also Kursverluste, zu minimieren.
Und genau diese Trennung zwischen wünschenswerten und zu vermeidenden Schwankungen kann die Volatilität als Kennzahl nicht leisten.
Ein Beispiel
Vergleichen wir 2 Aktien miteinander. Aktie A weist eine Volatilität von 6,37% und Aktie B von 5,07% auf. Auf den ersten Blick erscheint also Aktie A riskanter als Aktie B, da ihre Schwankung höher ist.
Aus der Graphik können wir entnehmen, dass Aktie B tatsächlich weniger schwankungsanfällig ist. Jedoch verursacht sie über den dargestellten Zeitraum einen Verlust in Höhe von 20%. Hingegen erwirtschaftet Aktie A einen Gewinn über 20%.
Aber Vorsicht: der Gewinn oder die Rendite einer Anlage geben keinerlei Auskunft über deren Risiko.
Weshalb der Maximum Drawdown das bessere Risikomaß ist
Ein erneuter Blick in die Graphik zeigt eine weitere Kennzahl, den Maximum Drawdown (MDD). Er beschreibt den größtmöglichen Verlust einer Finanzanlage innerhalb eines bestimmten Zeitraums.
Mit Hilfe des MDDs kann ein Investor somit den maximal möglichen Verlust ableiten, falls er den ungünstigsten Einstiegs- und Ausstiegszeitpunkt gewählt hätte.
Aktie B ist nun weitaus riskanter als Aktie A, denn deren MDD ist um etwa 6 Prozentpunkte höher.
„Es ist viel wichtiger zu wissen, wie häufig man bei einem Abschlag einen Ball verliert, als zu wissen, wie weit die Abschläge nach links und rechts verteilt sind. Denn der nächste Schlag muss spielbar sein!“
Der Finanz-Caddie denkt …
Da der Maximum Drawdown vergangene Krisensituationen bewertet, gibt er dem Anleger eine gute Vorstellung, in welcher Höhe Verluste künftig möglich sind. Weil Krisen aber selten auftreten, ist es wichtig, dass ein möglichst langer Zeitraum analysiert wird.
Auch wenn der Maximum Drawdown das bessere Risikomaß im Vergleich zur Volatilität darstellt, lässt sich daraus keine Aussage über künftige Risiken ableiten. Der MDD kann einem Anleger nur eine Vorstellung geben, mit welchen Verlusten er im schlechtesten Fall rechnen kann.
Eine Übersicht der letzten großen Wirtschaftskrisen
Die nachfolgende Tabelle zeigt die größten Kurseinbrüche des weltweiten Aktienindex MSCI World innerhalb der letzten knapp 50 Jahre und den Zeitraum bis die Kurse sich wieder vollständig erholt haben.
Gerade die sehr lange Dauer einer Kurserholung während beziehungsweise nach einer Krise macht deutlich, weshalb Experten empfehlen nur in Aktien zu investieren, falls man einen entsprechend langen Anlagehorizont hat.
„Eine Aktie, die man nicht 10 Jahre zu halten bereit ist, darf man auch nicht 10 Minuten besitzen. […]“
Warren Buffett | Quelle: https://www.fool.de/2014/10/17/die-25-besten-zitate-von-warren-buffett/
Ereignis | Dauer bis Kurserholung | Maximum Drawdown |
---|---|---|
Ölkrise (1973)* | 77 Monate | 43,4% |
Dot-Com Blase (2000)* & Terroranschläge (2001)* | 78 Monate | 48,4% |
Finanzkrise (2007, 2008)* | 77 Monate | 53,6 % |
Corona-Schock (2020)** | seit 19.02.2020 | 33,6 % |
Können Sie Verluste von rund 50% tolerieren und etwa 7 Jahre abwarten, bis sich die Kurse nach dem Tiefpunkt einer Krise wieder vollständig erholt haben?
Falls Sie auch nur bei einer dieser beiden Frage Bauchschmerzen bekommen, dann benötigt Ihr Portfolio unbedingt eine gute Beimischung weniger risikobehafteter Finanzanlagen.
Take-aways
- Die Volatilität misst Kursschwankungen sowohl für steigende als auch für fallende Kurse und ist daher nur bedingt als Risikomaß geeignet.
- Der Maximum Drawdown und dessen Dauer vermitteln eine wesentlich bessere Einschätzung, welches Risiko eine Finanzanlage in Krisenzeiten beinhaltet.
- Weder die Volatilität noch der Maximum Drawdown geben irgendeine Auskunft über zukünftige Chancen und Risiken.
Sämtliche Inhalte wurden nach bestem Wissen und Gewissen recherchiert und dargestellt. Eine Haftung für deren Aktualität, Richtigkeit, Vollständigkeit und Genauigkeit wird ausgeschlossen. Kursentwicklungen der Vergangenheit sind kein verlässlicher Indikator für künftige Wertentwicklungen.
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