Die Faultier Strategie

… oder warum gerade Nichtstun eine erfolgreiche Strategie sein kann.

Mediale Reizüberflutung

Täglich werden wir von Börseninformationen überflutet. So zeigt die Finanzpresse immer wieder die neuste „Strategie“ auf, wie Sie Ihre Finanzen scheinbar optimieren können. Am Ende führt dies jedoch mehr zur Verwirrung des Anlegers als zu einem optimalen Portfolio.
Ein Blick auf die Titelstories der letzten Wochen und Monate der Börsenzeitschriften Euro am Sonntag und Börse Online liefert folgende Headlines:

„10 Aktien mit Impfstoff-Turbo“, „Lockdown-Crash: Hier können Sie jetzt zugreifen“, „Aktien für die Ewigkeit“, „Rendite-Stars unter der Lupe“, „Die besten Aktien der Welt“, „300% mit der Fonds-Elite“, „Die nächsten Tech-Stars“.

Euro am Sonntag

„Die besten Nebenwerte“, „7 zündende Ideen“, „America wählt: in welche Aktien Sie investieren sollten“, „12 neue Chancen“, „Champions aus der dritten Reihe“, „8 Aktien mit Kaufalarm“, „Buy, buy America!“, „6 clever Investments“

Börse Online

Warum Stockpicking als langfristige Strategie nicht funktioniert

Stellen wir uns vor, es gäbe die perfekte Methode den Markt zu schlagen. Solange diese nur von sehr wenigen Investoren angewendet würde, könnte diese sogar dauerhaft erfolgreich sein. So gäbe es dann immer noch genügend Investoren, die auf der Gegenseite handelten.
Würde es aber eine perfekte Methode geben den Markt zu schlagen, so folgten alle Marktteilnehmer dieser Methode. Damit käme der Handel an den Börsen nahezu zum Erliegen oder es müssten Mondpreise für Aktien, ETFs, etc. bezahlt werden, da es auf der Gegenseite kaum noch Käufer oder Verkäufer gäbe.

Machen wir uns dies anhand eines Beispiels deutlich:
Ein Investor hat eine Glaskugel gefunden, die ihm die Börsenkurse einer bestimmten Aktie immer für den nächsten und übernächsten Tag voraussagt. Nehmen wir an, dass diese Aktie aktuell bei 100 EUR steht. Für Morgen sagt die Glaskugel voraus, dass die Aktie bei 110 EUR stehen wird und tags darauf soll sie wieder bei 100 EUR notieren.
Der Investor macht also ein todsicheres Geschäft, wenn er die Aktie heute zum Preis von 100 EUR kauft und morgen bei einem Kurs von 110 EUR verkauft. Dafür benötigt er für jene Aktie heute einen Verkäufer und morgen einen Käufer.
Solange der Investor das Wissen der Glaskugel nur für sich anwendet, kann er diesen Informationsvorsprung erfolgreich umsetzen.

Weshalb sollte also der Investor die vermeintlichen todsicheren Informationen teilen?
Natürlich kann es sich bei dem Investor mit der Glaskugel um einen sehr netten Menschen handeln, der Freunde und Familienmitgliedern an seinem Erfolg teilhaben lässt.

Aber weshalb sollte dieser nette Mensch dann in Zeitungsartikeln und TV-Sendungen „seine“ todsicheren Insidertipps weitergeben und sich damit den eigenen Markt ruinieren?
Richtig. Dazu hätte unser Investor mit der Glaskugel keinerlei Interesse. Die einzigen Interessen, die Börsenzeitungen und -magazine haben, sind Umsatz und Gewinn zu erzielen.

Deshalb gilt es stets Vorsicht bei vermeintlichen sicheren Börsentipps walten lassen!

Aber es gibt doch erfolgreiche aktive Investoren …!

Klar gibt es erfolgreiche aktive Investoren. Und gerade diese sind in den (sozialen) Medien ziemlich laut.
Denn wer teilt schon auf Twitter, Facebook, Instagram, Blogs, etc. dass er seit Jahren den Markt mit seiner Strategie nicht schlagen konnte?

Ein Blick auf die Statistik hilft, um den Sachverhalt objektiv zu betrachten. (siehe nachfolgende Grafik)
S&P veröffentlicht einmal pro Jahr eine statistische Untersuchung, wie hoch der Anteil der aktiven in Europa zugelassenen Fonds ist, welche ihre Benchmark geschlagen haben.

Daraus ergeben sich zwei eindeutige Aussagen, nämlich:

  • je länger der Anlagehorizont ist, desto geringer ist die Wahrscheinlichkeit, dass ein aktiver Fonds den Markt schlägt. Vergleiche hierzu die blauen Balken (nach 1 Jahr) mit den gelben Balken (nach 10 Jahren).
  • dieser Trend ist in allen Märkten gleich, aber unterschiedlich stark ausgeprägt. In marktbreiten Regionen, wie USA (S&P 500) oder der Welt (S&P Global 1200) gibt es nach 10 Jahren kaum aktive Fonds, die immer noch den Markt schlagen. Im Bereich der Emerging Markets (S&P/IFCI) und interessanterweise auch in Europa (S&P EU 350) gelingt dies den Fondsmanager immerhin etwas besser.

Wenn also professionelle Fondsmanager nicht in der Lage sind dauerhaft den Markt zu schlagen, weshalb sollte dies dem Privatinvestor gelingen?
Es wäre folglich rationaler einfach Nichts zu tun und langfristig die Marktrendite zu kassieren.

Weshalb wir „Probleme“ mit dem Nichts-Tun haben

Unsere kulturelle und soziale Prägung impliziert, dass Geldverdienen stets mit Arbeit, Aufwand und Leistung einhergeht. Dem gegenüber steht der Fakt, dass sich an der Börse mit einem weltweit diversifizierten Aktien-Portfolio eine langfristige Rendite von etwa 5% pro Jahr quasi durch Nichtstun erzielen lässt1,2.

Aufgrund der zunehmenden Informationsflut lesen, hören und sehen wir beinahe täglich, welche Portfolios derzeit besser als der Markt abschneiden. Wir erfahren, welche vermeintlichen Geheimtipps man kaufen sollte und die vermeintlichen Helden der Börse feiern ihre letzten erfolgreichen Trades.
Und natürlich hinterfragt man in diesem Umfeld, ob die eigene Strategie noch die Richtige sei. Oder weshalb man nur begrenzt von der vermeintlichen Börsenrally partizipiert.
Exakt diese Gedanken regen den Aktionismus an verleiten uns von der eigenen Strategie abzuweichen. Und mit einer hohen Wahrscheinlichkeit wird das aktive Handeln an der Börse eher zu einer schlechteren Performance im Vergleich zum Markt führen.

Die wenigsten Helden der Börsen berichten von ihren Verlusten beim Trading und feiern nur ihre Erfolge. Daher sollten wir uns wie Odysseus an den Mast des Schiffes festbinden lassen. So ist sichergestellt, dass wir mit einem gewissen Interesse dem Gesang der Sirenen lauschen können, aber dabei stets passiv investiert bleiben.

Fazit

  • Ein weltweit diversifiziertes ETF-Portfolio liefert langfristig die Marktrendite abzüglich Kosten. Damit sind für langfristige Investoren Renditen von etwa 5% pro Jahr möglich.
  • Um die Marktrendite erzielen zu können genügt ein Buy-and-Hold Ansatz. Regelmäßiges Rebalancing hält das Portfolio im Gleichgewicht.
  • Über einen Zeitraum von 10 Jahren schaffen es die wenigsten professionellen aktiven Fondsmanager den Markt zu schlagen. Es gibt keinen Grund zur Annahme, dass Privatanleger hierbei erfolgreicher wären.
  • Machen wir es also wie die Faultiere und investieren langfristig, langsam und stetig.

Sämtliche Inhalte wurden nach bestem Wissen und Gewissen recherchiert und dargestellt. Eine Haftung für deren Aktualität, Richtigkeit, Vollständigkeit und Genauigkeit wird ausgeschlossen. Kursentwicklungen der Vergangenheit sind kein verlässlicher Indikator für künftige Wertentwicklungen.
Dieser Beitrag dient ausschließlich der allgemeinen Bildung und der persönlichen Unterhaltung. Er stellt weder eine Rechts-, Anlage- oder Steuerberatung oder eine Aufforderung zum Kauf / Verkauf der erwähnten Finanzinstrumente (Wertpapiere, ETFs, etc.) dar.
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1 Finanz-Caddie: Die zweite Corona-Welle: Kommt der nächste Crash?. Zugriff: 22.12.2020. https://finanz-caddie.de/die-zweite-corona-welle-kommt-der-naechste-crash/

2 Daniel D. Eckert, Twitter Posting, 22.12.2020, 10:44 a.m., https://twitter.com/Tiefseher/status/1341318754102353920

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